In unserem Sonnensystem könnte es einen weiteren Planeten geben, der weit draußen im Weltall die Umlaufbahnen von einigen Zwergplaneten beeinflusst. Diese Bahnen um die Sonne scheinen nämlich von einem schweren Objekt verändert zu werden, das aber bislang unbekannt ist. Astronomen suchen daher schon eine Weile nach einem neunten Planeten.
Laut einem japanischen Forschungsteam könnte der besagte Planet Neun (P9) viel näher an uns dran sein, als bisher angenommen wurde. Zudem soll er ungefähr die Größe unserer Erde haben – so ihre Hypothese.Für ihre Annahme schaute sich das Forschungsteam die Umlaufbahnen einiger trans-neptunischer Objekte (TNO) an. Das sind Himmelskörper, deren Umlaufbahn außerhalb des Orbits von Neptun liegen. Pluto ist eines dieser Objekte.
Planet Neptun mit seinen Ringen, aufgenommen vom James Webb Teleskop. Die Himmelskörper in unserem Sonnensystem jenseits seiner Umlaufbahn werde trans-neptunische Objekte genannt.Bildrechte: IMAGO / ZUMA Wire
Nun ist 'außerhalb' ein sehr dehnbarer Begriff. Neptun befindet sich etwa 30 astronomische Einheiten (AE) von der Sonne entfernt. Eine astronomische Einheit entspricht dem Abstand zwischen Sonne und Erde, also etwa 149 Millionen Kilometer. Direkt hinter Neptuns Orbit schließt sich der Kuipergürtel an – eine ringförmige, ziemlich flache Region mit etlichen Gesteinskörpern. Schätzungsweise 70.000 Objekte mit einem Durchmesser von mehr als 100 Kilometern sollen sich dort befinden. Der Kuipergürtel erstreckt sich über einen Bereich von 30 bis 50 AE. Einige Umlaufbahnen dieser Objekte hat sich das Forschungsteam genauer angeschaut.
Knapp jenseits des Kuipergürtels: Ist Planet 9 viel näher an uns dran?
Bisher wurde in einigen Studien angenommen, dass sich P9 in einer Entfernung von 400 bis 1.500 AE befinden soll. Das wäre weit außerhalb des Kuipergürtels – irgendwo in der Oort’schen Wolke, deren Ausmaß bis zu einer Entfernung von 100.000 AE reichen soll. Die bisher wahrscheinlichsten Modelle zeigen, dass Planet Neun in einer Entfernung von 700 AE seine Bahnen zieht.
Laut dem japanischen Forschungsteam könnte P9 jedoch auch nur 250 bis 500 AE von der Sonne entfernt sein. Das wäre weit genug entfernt, um den Planeten zu einer dunklen und gefrorenen Welt zu machen. Zudem wäre es kein besonders großer, sondern nur ein etwa erdgroßer Himmelskörper. Seine Masse soll etwas das 1,5- bis Dreifache unserer Erdmasse betragen.
P9 soll außerdem eine Neigung von 30 Grad gegenüber der Ebene des Sonnensystems haben. Das könnte die seltsamen Verhaltensweisen anderer Himmelskörper erklären wie beispielsweise von Sedna. Dieser Zwergplanet besitzt eine Neigung von mehr als 45 Grad und eine ungewöhnliche Umlaufbahn um die Sonne.
Können wir P9 in dieser Entfernung überhaupt entdecken?
Die Arbeit ist allerdings bislang nur eine weitere Theorie zum möglichen Planeten Neun. Aber könnte sie auch überprüft werden? Lässt sich ein solch kleiner, erdgroßer Planet in so einem vergleichsweise großen Abstand zur Erde von uns aus nachweisen? "Ein so kleiner Planet wäre von der Erde aus mit Durchmusterungsteleskopen beobachtbar", erklärt Carolin Liefke vom Haus der Astronomie in Heidelberg gegenüber MDR WISSEN auf Nachfrage. Sie war an der Studie nicht beteiligt.
HinweisDer (in dieser Studie angegeben) Planet 9 unterscheidet sich von dem gesuchten Planet 9 – damals, als Pluto noch nicht als Zwergplanet eingestuft wurde, war es Planet X – aus der gängigen Fachliteratur. Der hypothetische P9 in der Fachliteratur ist viel massereicher und befindet sich vermutlich auf weiter entfernten Bahnen als der beinah erdgroße Planet, den das aktuelle Forschungsteam beschrieben hat.
Falls es den hypothetischen Planeten des japanischen Forschungsteams tatsächlich gibt und er gefunden wird, gilt dieser aufgrund seiner Nähe als nächster und damit neunter Planet. Die Suche nach der möglichen Supererde weit außen im Sonnensystem würde somit wieder als Suche nach Planet X bezeichnet werden.
"Spätestens das Vera-Rubin-Teleskop würde den hypothetischen Planeten Neun – wenn es ihn denn gibt – innerhalb von einem Jahr auffinden", glaubt Liefke. Das Teleskop, das den wissenschaftlichen Namen "Large Synoptic Survey Telescope" (LSST) trägt, soll im März 2025 den Regelbetrieb aufnehmen. Sein Hauptspiegel wird einen Durchmesser von acht Metern haben, die angeschlossene Digitalkamera wird die größte der Welt sein. Noch sind jedoch die finalen Arbeiten an der Anlage nicht abgeschlossen, die sich in 2.682 Metern Höhe auf dem El-Peñón-Gipfel des Cerro Pachón im nördlichen Chile befindet.
Laut Astronomin Liefke könnte der besagte Planet Neun bei dem vorhergesagten Abstand von 250 bis 500 AE unter Optimalbedingungen auch von der derzeitigen Generation von Durchmusterungsteleskopen aufgespürt werden.
Der Vorteil solcher Durchmusterungsverfahren ist, dass nicht nach einem einzelnen Objekt Ausschau gehalten wird, sondern ein Teil des Himmels komplett durchmustert wird. Der vorhergesagte P9 würde somit neben vielen anderen Objekten automatisch erfasst werden. "Letztlich käme es aber darauf an, wie viel Sonnenlicht er reflektiert, und das wiederum liegt an der Beschaffenheit seiner Oberfläche", so Liefke.